Schlachtenbummler bei der Schlacht von Jena und Auerstedt
Ich hatte mich schließlich doch dazu entschlossen den Bus zur Schlacht von Jena und Auerstedt zu nehmen und so extrem lang mußte man entgegen vorheriger Befürchtungen auch nicht warten, obwohl sich die Schlange inzwischen über die Straßenbahnschienen bis in die Ludwig-Weimar-Gasse verlängert hatte. Aber dann kamen in kurzer Folge vier (übrigens mit „Napoleonexpress“ titulierte) Busse hintereinander und da die Leute sich gesittet benahmen, kamen wir alle recht zügig rein. Die Fahrt dauerte allerdings ziemlich lange, da es sich durch das Mühltal hindurch staute – was meine Entscheidung für den Bus noch einmal bestätigte, denn wie ich später hörte sah es mit Parkplätzen ziemlich schlecht aus. In Cospeda angekommen, waren es noch einige Minuten Fußweg bis zum eingezäunten „Schlachtfeld„. Zum Glück hatte ich mir die Eintrittskarte bereits gestern geholt, die Schlange vor der Kasse war wirklich riesig und ich hätte wohl den Anfang der Schlacht verpasst, hätte ich auch noch hier anstehen müssen. Am eigentlichen Eingang ging es dann aber recht schnell und so konnte ich mich endlich zum eigentlichen Ort des Geschehens begeben, der nochmals weitläufig bis niedriger Umzäunung abgrenzt war, um die Zuschauer von den „kämpfenden“ Truppen fernzuhalten. Ich erreichte diese gerade rechtzeitig, um den beginnenden Aufmarsch der französischen Truppen beobachten zu können, die ihren „Spawn-Point“ historisch bedingt auf Cospedaischer Seite hatten. 😉
Die anderen Zuschauer umstanden natürlich dicht gedrängt die innere Absperrung und machten mit allem was sie hatten (von der eingebauten 640x480Pixel Handyknipse bis hin zur Profi-SLR-Kamera mit Zoomobjektiv) Fotos was das Zeug hält. Eng zusammenstehend und darauf bedacht ja nicht ihren einmal ergatterten Platz zu verlieren erschwerte das mir natürlich, einen genaueren Blick auf das Geschehen zu werfen. Ich entschied mich daher dazu, etwas weiter in Richtung der Mitte des Schlachtfeldes mein Glück zu versuchen. Irgendwo gelang es mir dann tatsächlich, etwas näher heran zu kommen. Daß ich dabei ziemlich dicht an einer französischen Artillerie-Batterie stand nahm ich vorerst nur unterbewußt war.
Als die Kanonen jedoch in kurzer Folge hintereinander eine Salve feuerten, wurde es mir ziemlich deutlich bewußt. Wer die Druckwelle und den lauten Knall einer vielleicht drei bis vier Meter entfernten Kanone noch nie gespürt hat, kann sich kaum vorstellen was das für ein Gefühl ist. Man spürt der Erschütterung nicht nur körperlich, das Geräusch und der Druck gehen einem so sehr durch Mark und Bein – es fühlt sich für eine Sekunde so an, als hätte man eine Faust in die Magengrube bekommen. Einige der umstehenden flohen regelrecht vor den weiteren Schüssen. Über den Schlachtverlauf möchte ich hier nichts berichten, den kann man besser bei Wikipedia oder in einem Geschichtsbuch nachlesen. Man bekommt aber wenn man einem solchen „Reenactment“ beiwohnt doch einen recht guten Eindruck, wie es damals in Kriegen abgegangen sein muß – abzüglich natürlich der wirklich brutalen Seite.
Zu jeder Truppenbewegung erschallten aus den überall aufgestellten Lautsprechern Erläuterungen in Deutsch, Englisch und Französisch. Über die französische Übersetzung möchte ich mit meinen eher bescheidenen Kenntnissen dieser Sprache kein Urteil abgeben, aber für die englische Version hätte sich mit Sicherheit eine bessere Übersetzerin gefunden. Nicht nur mir fiel das auf, auch die Gespräche der umstehenden Mit-Zuschauer bestätigten mir immer wieder, daß die englischsprachigen Erläuterungen – nun – teilweise ziemlich von dem abwichen, was der deutsche Sprecher zuvor gesagt hatte und vor allem die militärischen Begriffe oft unpassend übersetzt wurden. Hier bestände evtl. noch verbesserungsbedarf.
Je weiter sich die Kampfhandlungen nun in das in Richtung Napoleonsstein / Jena liegende Senke verlagerte, desto schlechter wurde die Sicht von meinem Platz aus, daher begab ich mich nun weiter in Richtung des Tals, an dessen westlichen Ende auch die Tribünen mit Sitzplätze lagen. Zwar war hier durch eine Reihe Büsche der Weiterweg versperrt und ein durchbrechen der Umzäunung wurde von der Security der Veranstalter verhindert, aber über einen kleinen Trampelpfad durch die Büsche hindurch konnte man schließlich auf die kleine für „Normalsterbliche“ freigegebene Fläche gelangen, von der man zumindest einen Teil des eigentlichen Schlachtgeschehens unten im Tal beobachten konnte. Leider ging das ganze gerade aber zu Ende, so daß ich von den Gefechten selbst nur noch wenig mitbekam, aber gegen Ende der Schlacht einen ziemlich genauen Blick auf den „siegreichen Feldherren Napoléon Bonaparte“ (der im übrigen von einem Amerikaner dargestellt wurde) und einige seiner Kavalleristen werfen konnte, die nach dem Sieg ziemlich dicht an uns vorbei ritten.
Was mich im übrigen etwas nervte war das klugscheißerische und zum größten Teil einfach falsche „Gelaber“ einiger Zuschauer. Ich war mehrmals kurz davor, etwas dazu zu äußern, ließ es aber dann doch lieber – man weiß ja nie wie ein Ehemann reagiert, wenn man ihn vor seiner Ehefrau berichtigt und ihn dahingehend bloßstellt, daß er seine soeben zum „Besten“ gegebenen geschichtlichen Kenntnisse mehr als aus den Fingern gesogen waren. Aber dies nur mal so am Rande erwähnt…
Zwar gingen nach der Verkündung des Sieges die Scharmützel noch hier und da weiter, aber ich schloß mich nun der Masse an und begab mich zurück in Richtung der Bushaltestelle. Ich hätte zwar auch über den Landgraf zurück Laufen können, aber zwei Stunden lang über eher unwegsames Gelände zu spazieren zollte in meinen Beinen dann doch etwas mehr seinen Tribut als ich gehofft hatte – daher entschied ich mich für den Shuttleservice. Auf dem Weg konnte man bereits die ersten der Freizeitsoldaten beobachten, wie sie ihr „Kriegsgerät“ in die bereitsstehenden Transport luden.
An der Bushaltestelle herrschte natürlich hochbetrieb – und vom Schlangestehen oder einer sonstigen Form des „geordneten Abzuges“ seitens der Besucher war diesmal leider keine Spur. Jegliche gute Erziehung (falls jemals vorhanden gewesen) vergessend drängelten und stießen sich die Männer und Frauen gegenseitig zur Seite, um einen Platz in dem gerade bereitstehenden Bus zu erlangen. Dabei stand dahinter schon der nächste bereit und ein weiterer kam bereits um die Kurve. Ich möchte bezweifeln daß irgend jemand unter den Wartenden dermaßen unter Zeitdruck stand, daß dieser ein solch rücksichtsloses Verhalten gerechtfertigt hätte.
Innerlich nur mit dem Kopf schüttelnd ließ ich mich einfach mit der Masse treiben und erlangte auch ohne drängeln, schubsen und schreien einen Platz im vierten der abfahrenden Busse. Dieser brachte mich schließlich zurück in die Jenaer Innenstadt.
Als kleines Resumée kann ich sagen: Für mich hat sich der Ausflug auf jeden Fall gelohnt. Dort hinauf zu gelangen war zwar eine ziemlich zähe und langwierige Angelegenheit, aber das Erleben einer Live-Schlacht hat eindeutig etwas. Die Anreise über Cospeda ist natürlich im Nachhinein gesehen keine wirklich gute Entscheidung gewesen, da das Hauptgeschehen eher auf der anderen Seite des Schlachtfeldes stattfand und die Sicht dorthin zusätzlich durch eine Hügelkuppe teilweise versperrt war. Sollte ich noch einmal dorthin gehen werde ich wohl zu Fuß über den Napoleonsstein „anreisen“. Nun ja, hinterher ist man ja immer schlauer… 😉
PS: Eine paar mehr handverlesene Bilder des heutigen Tages finden sich hier hier bei flickr!
Weitere Bilder (im Moment noch nicht alle) stehen unter http://www.happyarts.de
Markus
So nah wäre ich auch gerne ran gekommen.
Sehr schöne Fotos – bin schon auf die restlichen gespannt.
BTW: Ich habe den Link mal in einen HTML Tag gepackt, weil er sonst über den Rand der Mittelspalte hing.
Hi! Hätte nicht gedacht, dass das am Ende so chaotisch ablief – das Gedrängel zum Beispiel. Wir hatten die Fahrräder vom Westbahnhof bis nach Cospeda benutzt. Den Cospedaer Grund hinauf ist es stellenweise ganz schön hart, vor allem, wenn man ‚Schlachtenbummlern‘ ausweichen muss. Ich beneide Dich darum, dass Du das Fleckchen gefunden hast, von dem Du die super Aufnahmen machen konntest.
Die deutschen Kommentare waren wirklich Schmerz verursachend: ‚Leichte französische Infanteristen‘ etc.. Trotzdem interessant wars allemal!
Schicke Bilder. Hattest ja wiklich ’ne gute Position zum Fotografieren, ich hatte da so einige Probleme. Ein paar
Fotos von der Schlacht bei Jena und Auerstedt sind aber was geworden.
@diver: Ich hatte nur lange Arme glaube ich, daher sind net so viele Köpfe drauf. Bis ganz nach vorne bin ich auch eher selten gekommen.
@ebusyness: Deine Bilder sind aber auch nicht schlecht.
@JaBB
Danke für das Lob. Lange Arme mußte ich auch machen nur dass ich mit meiner Kamera (Spiegelreflex) nix gesehen hab. Das sind im Prinzip alles nur Schnappschüße…
Schöne Fotos hast du gemacht, obwohl du nicht auf dem Schlachtfeld warst. Auf meiner Webseite findet ihr auch Fotos von der Schlacht.