Richard M. Stallman in Jena
Habe gerade etwa zweieinhalb Stunden Richard M. Stallman hinter mir, der heute (und morgen) im schönen Jena weilt. Der „Godfather of Free Software“ sprach heute ab 18.00 Uhr im Hörsaal 3 am Campus hier in Jena. Ursprünglich war als Veranstaltungsort ja der Jen-/Intershop Tower geplant gewesen, doch aufgrund der großen Nachfrage hatte man kurzfristigt umdisponiert und war an die Uni umgezogen – zu Recht, denn auch hier waren fast alle Sitzplätze belegt, als Richard M. Stallman, mit seinen langen Haaren, dem Vollbart und dem kleinen Bäuchlein sowie seinem typischen roten Shirt den Saal betrat. Nach ein paar einleitenden Worten durch die Veranstalter begann schließlich der eigentliche Vortrag, der in englisch gehalten wurde.
Stallman sprach über sein Verständnis von freier Software, unter der er weniger etwas wie Freibier, sondern eher Prinzipien wie die Redefreiheit versteht. Gleich zu Beginn definierte er die vier Grundfreiheiten die Software aus seiner Sicht haben sollte:
- The freedom to run programs, for any purpose. (Freedom 0)
- The freedom to study how the program works, and adapt it to your needs (freedom 1). Access to the source code is a precondition for this.
- The freedom to redistribute copies so you can help your neighbor and your community (freedom 2).
- The freedom to improve the program, and release your improvements to the public, so that the whole community benefits (freedom 3). Access to the source code is a precondition for this.
Properitäre Software, komme sie nun von Microsoft, Apple oder irgend einem anderen kommerziellen Hersteller, beschneide diese Freiheiten aus seiner Sicht über die Maßen und nehme dem Benutzer die Entscheidungsfreiheit, was er wann auf seinem Computer ausführe. Der Benutzer sei „at Microsofts mercy“ und die Firmen hätten inzwischen neben verschiedener Backdoors genügend andere Möglichkeiten eingebaut, um sowohl Daten vom Benutzer des Rechners zu sammeln als auch die Ausführung von Inhalten bis zum extrem der Zugriffsverweigerung einzuschränken. Dem Benutzer könnten angepasste Updates ohne dessen Zustimmung untergeschoben werden, die die Möglichkeiten auf seinem Rechner beschränken oder ihn auf Gedeih und Verderb diesen Firmen ausliefern. Passenderweise nannte er dies „Malicious Features„.
Wasser auf die Mühlen eines jeden kritischen oder auch leicht paranoiden EDVlers – mich selbst eingeschlossen. 😉
Durch den Einsatz von properitären Systemen und Software schränke der Benutzer über die Maßen seine eigene Entscheidungsfreiheit ein und gäbe einen Teil seiner demokratischen Grundrechte an die großen Softwarekonzerne ab. Besonders schön fand ich auch jenen Part, in dem er Windows Vista als das darlegte, was es ist: ein DRM Betriebssystem. Dabei bezeichnete er die Abkürzung DRM passenderweise als „Digital Restriction Management“ – was es ja im Grunde genommen auch ist. Mit „Rechten“ im Sinne der Definition hat es aus Benutzersicht wirklich nichts zu tun. Mehr Infos dazu gibts auch auch badvista.org – einer Seite von der Free Software Foundation über die Gefahren dieses Betriebssystems.
Die ganze Fülle des Vortrages kann und will ich hier nicht wiedergeben – dazu ist das ganze zu vielschichtig und wen so etwas interessiert, dem sei der morgige Vortrag um 11.00 Uhr im Tower oder aber die vielen Texte, Audios und Videos von Richard M. Stallman empfohlen, die man überall im Netz findet.
Mir kamen während des Vortrages natürlich Gedanken, daß das worüber er hier sprach in eine Art IT-Kommunismus oder -Sozialismus münden könnte. Gerade so Aussagen wie „Building a new world of freedom…“ ließen da gewisse parallelen vor dem geistigen Auge auftauchen – doch solche Gedanken entkräftete Stallman noch während seines Vortrages, indem er sich klar zum kapitalistischen System bekannte und solche Vorwürfe, die ihm und der FSF auch von Seiten der großen Softwarehersteller regelmässig entgegengebracht würden, deutlich von sich wies.
Des weiteren wies er darauf hin, daß Open Source Software nur bedingt etwas mit seiner Idee von freier Software zu tun hätte. Das Linux und ähnliche Open Source Projekte würde zwar unter der GNU Lizenz veröffentlichte Software nutzen, und die Lorbeeren für das GNU/Linux einzig Linus Torvald zuzuschustern wäre ungerecht gegenüber dem, was seine Organisation bereits im Vorfeld für ein freies Unix geleistet hätte.
Leider zögen, so führte er aus, viele die Bequemlichkeit (Convenience) der Freiheit (Freedom) vor, wenn es um Software ginge – daher gab es um das Jahr 2000 auch keine Linux-Distribution mehr, die noch ohne kommerzielle/properitäre Bestandteile aus käme. Inzwischen haben sich zwar wieder einige (eher unbekannte) Distributionen etabliert, die dem GNU Prinzip in vollen Umfang folgten (z.B. Blag oder ututuo), aber das wäre eher die Ausnahme.
Interessant war auch noch der Part, in dem er die Verteilung von vergünstigten oder kostenlosen Versionen kommerzieller Betriebssysteme mit der hypothetischen Situation verglich, dass man Schüler mit der kostenlosen Abgabe einer Droge bereits in frühen Jahren abhängig machen würde, um sie später in dieser Abhängigkeit besser auf Linie zu diesem Betriebssystem halten zu können. Ein etwas extremer Vergleich, der jedoch einer gewissen Wahrheit nicht entbehrt.
Bevor es dann in die Diskussion ging, führte uns Stallman noch seine zweite Funktion als Saint IGNUcius der Church of Emacs vor – eine Einlage mit eindeutig komödiantischen Anleihen, zu der er sich einen schwarzen Talar anlegte und die Scheibe einer alten Festplatte als Heiligenschein auf den Kopf setzte.
Das ganze sorgte für einige Lacher und Schmunzler im Publikum – vor allem mit Aussagen wie „There is no system but Gnu and Linux is one of his Kernels“ oder „Vi Vi Vi is the editor of the beast„. Nicht nur ich habe mich königlich amüsiert.
Zum Abschluß ging es dann in eine Fragerunde, in der es der Audience ermöglicht wurde, Fragen an Richard M. Stallmann zu stellen – was von einem Teil der Zuschauer auch rege genutzt wurde, während ein anderer Teil nun nach und nach den Hörsaal verließ.
Abschließend möchte ich sagen, daß ich die Entscheidung zu dieser Veranstaltung zu gehen zu keinem Zeitpunkt bereut habe – und ich kämpfte wirklich mit mit, ob ich noch mit zu der Anschlußveranstaltung ins Hotel Zur Noll in der Oberlauengasse gehe oder nicht – entschied mich dann aber dagegen. Richard M. Stallman würde ich, nachdem ich ihn nun live erlebt habe, zwar immer noch etwas in die Kategorie „Alt-Hippie, der seine Ideale nicht verraten hat“ stecken – man möge mir diesen Gedanken verzeichen – aber die Aussagen die er während getroffen treffen durchaus in vielen Teilen auch meine Ansichten. Auf der anderen Seite muß natürlich gesagt sein, dass eine heile Softwarewelt durch ausschließlichen Einsatz von freier Software mir dennoch etwas illusorisch erscheint. Auch wenn ich der Idee der freien Software durchaus offen entgegen stehe, halte ich es für eher utopisch, dass eine Abschaffung kommerzieller Softwareanbieter und der Einsatz von unter Communitygedanken entwickelten freien Software eine bessere IT-Welt schaffen würde. Viele seiner Ideen haben wirklich Hand und Fuß, aber ich bin dann doch zu sehr ein Realist, als dass ich seine Thesen vorbehaltlos adaptieren könnte. Die Idee die Weiterentwicklung von Software dadurch zu finanzieren, daß jeder Interessent daran seinen Obulus an den Gesamtkosten trägt, mag einen gewissen Charme haben – aber eine Realisierung unter den gegebenen Umständen halte ich dennoch für nicht ohne weiteres durchsetzbar. Es ist eine Tatsache, dass der aktuell vorherrschende Kapitalismus stark von der Art der Kapitalismus unterscheidet, der noch in den 60er und frühen 70er Jahren – zur Zeit des Kalten Krieges – vorherrschte. Nennt mich Ismaeal desillusioniert – aber die Soziale Komponente tritt meiner Ansicht nach durch die steigende Globalisierung immer mehr in den Hintergrund – Entscheidungen auf Regierungsebene werden nicht mehr zum Wohl des Volkes, sondern eher zum Wohl des Kapitals getroffen. Das Deckmäntelchen der sozialen Marktwirtschaft ist nun einmal nicht mehr relevant, nachdem das System dem man etwas entgegen stellen wollte – nämlich der sozialistisch/kommunistische Ostblock – zusammengebrochen ist.
Die Zeiten sind vorbei, in denen man sich noch auf die Absicherung durch seinen Staat verlassen konnte. Zwar entwickeln sich die Industriestaaten – sowohl in Europa als auch in Nordamerika zu sogenannten Nanny States – die sich eher durch die übermässige Bevormundung ihrer aus Sicht der „Politiker-Elite“ nicht mehr wirklich mündigen Bürger auszeichnet. Ich denke da nur an den (hoffentlich bekannten) Frosch im Wasser. Aber das ist eine andere Sache, die ich jetzt nicht weiter diskutieren möchte.
Wer die Möglichkeit hat, dem kann ich morgen nur raten, die Veranstaltung um 11.00 Uhr im JenTower zu besuchen – Richard M. Stallman sollte man auf jeden Fall einmal live erlebt haben…
Ich habe mich weniger um die Inhalte gekümmert, die ich bei Stallman und der FSF bereits kenne. Der Mensch Stallman ist meiner Meinung nach anders, als man den Eindruck haben kann, den man bekommt, wenn man nur von Ihm liest. Ich habe ihn nicht als so ,,radikal“ und ,,fanatisch“ erlebt, wie er gerne beschrieben wird. Sondern eher als armer Tropf, der mit einer unheimlichen konsequenten Art und unbändigen Freiheitsliebe geschlagen ist. Vermutlich kein einfaches, bequemes Leben für den Mann.
Ich hab stallman auch live erleben dürfen und war ebenso begeistert