Artikel 5 GG – ein Nachruf
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Wie ich ja bereits im vorherigen Post angedeutet habe: Die Zensur des Internet ist beschlossene Sache. Am gestrigen 18. Juni 2009 beschloss der deutsche Bundestag das als „Kinderporno-Sperren“ getarnte Zensurgesetz. Gleichzeitig teilte die Justizministerin Brigitte Zypris (wie u.a. netpolitik.org berichtet) mit, dass die seit dem Altertum geltende Unschuldvermutung (in dubio pro reo – im Zweifelsfall für den Angeklagten) nun entgültig abgeschafft sei. Ja ich weiß – diese Regel ist nirgendwo in einem deutschen Gesetz eindeutig verankert, aber man kann sie doch aus Art. 103 II GG, Art. 6 II EMRK sowie aus § 261 StPO ableiten. Wortwörtlich sagte sie:
Dabei hatte Zypries zu jener Zeit, als Bundesfamilienministerin Ursula „Zensursula“ von der Leyen des erste Mal mit dem Vorschlag von Internetsperren ankam noch verfassungsrechtliche Bedenken geäußert – aber die sind durch genügend Lobbyarbeit und Druck von der Fraktion wohl inzwischen ausgeräumt worden.
Das wird natürlich für den unbedarften Gelegenheitssurfer nicht gerade einfach. Wie der Landesdatenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein Thilo Weichert sehr treffend anmerkt:
Da kann man für Leute die einmal in die Mühlen unserer Justiz geraten sind nur sagen: Gnade euch Gott. Selbst wenn sich hinterher alles als Irrtum herausstellt, ist man gesellschaftlich wohl unten durch wenn ein solcher Verdacht einmal publik geworden ist. Da hilft nur noch: Neuer Name, neuer Wohnort und evtl. eine Gesichts-OP (wenn ein Boulvardblatt darüber berichtet haben sollte) – oder halt der Strick.
Auch Versicherungen seitens einiger Poltiker, es würde keine Ausweitung auf andere Bereiche geben, können wir jetzt schon als Lüge abtun, gerade weil CDU-Politiker wie Herr Strobele von der CDU ja bereits im Vorfeld dieser Entscheidung forderten, die Sperren auf „Killerspiel-Seiten“ auszweiten. Machen wir uns nichts vor: Ist eine solche Infrastruktur einmal aufgebaut, werden Begehrlichkeiten geweckt, die von den Internetausdruckern in der Politik und ihren Fraktionslemmingen auf Druck der entsprechenden Lobbys nur allzu gerne befolgt werden.
<dampfablassmodus übertreibung="true" nicht-zu-ernst-nehmen="true">
Das über 130K (130.000) Bunderbürger eine Petition gegen dieses Gesetz gezeichnet haben, hat man in der üblichen Manier einer parlamentarischen Demokratie abgewickelt (Ich übertreibe hier mit Absicht mal absichtlich ein wenig):
Man lacht auf der Fraktionssitzung darüber, tut kurz so als würde man sich einer öffentlichen Diskussion stellen, betreibt ein wenig Kosmetik und macht dann weiter wie gehabt. Den Rest der öffentlichen Diskussion ignoriert man – immerhin macht man ja die Politik nicht fürs Volk. Wo käme man da hin – die Zahlen ja nur die Steuern und wählen sie.
Und wenn man dann mal gewählt werden will, lügt man ihm (dem Volk) die Hucke voll und verspricht alles mögliche – denn man weiß ja dass man sich hinterher nicht dran zu halten braucht. Nach vier Jahren hat der Gros der Otto Normalwählers ja eh vergessen, dass er beim letzten Wahlkampf mal wieder verarscht worden ist. Wie das Vieh zur Schlachtbank geht der Wähler wieder zur Wahlurne und macht sein Kreuz wieder genau dort wo er es schon immer gemacht hat – aus reiner Gewohnheit.
Dass er damit einem Regime die Legitimation gibt, die von den Gründervätern der Bundesrepublik erdachte Verfassung – die im übrigen vielen Ländern auch heute noch als Vorbild gilt – weiter auszuhöhlen und Grundrechte abzubauen kümmert ihn nicht. So lange er zu fressen hat, auf seinem Flachbildfernseher sich das Gehirn von DSDS, Supernanny, Jugendcoach Oliver Lück oder dem Musikantenstadel aufweichen lassen, am Samstag sein Auto waschen sowie seinen Rasen mähen und so sein kleinbürgerliches Leben führen kann ist ihm Politik nun mal egal. Denn er denkt: „Er kann allein ja eh nichts ändern.“ Da guckt man halt weg.
Wenn eine Gewerkschaft in der aktuellen Wirtschaftskrise einen sowieso kränkelnden Betrieb bestreikt, weil sie zwanzig Prozent mehr Lohn will, dann steht der Bürger natürlich mit bei den Streikposten, denn für die Gewerkschaftsbosse gehts um Prestige und Macht und für den Streikposten geht es ja um Geld – „sein“ Geld. Dass er damit den Betrieb den er bestreikt – seinen Arbeitgeber – entgültig Pleite machen könnte und sich damit in Zukunft in die Reihen der Arbeitslosen einreihen kann, ist ihm dabei egal, denn wie schon erwähnt: Es geht um Geld und bei Geld hört Loyalität, Freundschaft und jegliche Fähigkeit zu vorrausschauendem Denken bei vielen einfach auf. Aber ich schweife ab….
Und die politische Führungskaste? Die schließt sich selbst natürlich von jeglicher Maßnahmen die sie beschließt aus. Für Politiker in Ministerien, dem Bundestag und in Behörden gibt es nämlich Dinge wie Vorratsdatenspeicherung oder Internetsperren einfach nicht. Denn Politiker halten sich ja für besonders schützenswert. 😉
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Wer übrigens will, kann das Abstimmverhalten „seines“ Abgeordneten bei http://www.hatmeinabgeordneterfuernetzsperrengestimmt.de überprüfen und dann darüber nachdenken ob er ihn noch einmal wählt. Dummerweise gibt es bis auf die Piratenpartei keine wirkliche Alternative zu den großen Volksparteien und besagte Piratenpartei nimmt zu vielen non-webkonformen Politikthemen bis heute gar keinen Standpunkt ein.
Ich muß Dir Deinen Glauben ans Grundgesetz mal ein wenig erschüttern 🙂 Klickstu hier
Upps, der Link sollte zu http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30424/1.html gehen – kannst Du das bitte einarbeiten?
Habe es eingearbeitet. Wirklich interessant – man lernt doch nie aus. Ich werde mich mit meinen Lobhudeleien für das GG in Zukunft auf jeden Fall zurückhalten. 😉 Der Artikel öffnet einem wirklich die Augen. Ich denke ich werde das ganze mal reflektieren müssen – hier im Blog.