Trotz allem pünktlich
Mit leisen Zischen öffnete sich die Tür des ICE und ein nicht endend wollender Strom von Fahrgästen ergoß sich auf den Bahnsteig sechs des Kölner Hauptbahnhofes. Ich hatte mir einen Platz ganz vorne in der Menschentraube der Leute ergattert, die in den Zug einsteigen wollten. Als ich gegen fünfzehn Uhr mein Online-Ticket bestellte und ausdruckte und dabei keine Reservierung mehr für einen Sitzplatz im ICE nach Frankfurt Fernbahnhof bekommen konnte, war mir bereits klar dass es schwierig werden würde, die Zugfahrt nicht stehend verbringen zu müssen. Daher hatte ich mich am Bordbistro platziert, denn hier war die Möglichkeit noch am größten, noch einen Sitzplatz zu bekommen – zum überteuerten Preis eines ICE-Kaffees, aber seis drum. Von der anderen Seite der Tür beäugte mich eine gutbürgerlich gekleidete Frau mittleren Alters und signalisierte mir mit ihren bei jeder Lücke des Stromes von aussteigenden nach vorne zuckenden Körpers unterschwellig, dass sie am unbedingt vor mir einsteigen wollte. Als der Fluss von Aussteigenden schließlich entgültig versiegte, tat ich ihr den Gefallen und ließ sie als erste den ICE betreten. Eine Position weiter vorne oder hinten in der Einsteigereihefolge brachte hier aus meiner Sicht keine signifikanten Vorteile. Als ich den gastronomischen Bereich schließch erreichte, bewahrheiteten sich meine Befürchtungen – denn im Bistro waren sowohl die Sitz- als auch die Stehplätze komplett besetzt – und als ich das Bistro durchquert und auf Gang voller stehender und am Boden sitzender Leute stieß, gab ich die Hoffnung auf noch einen freien Sitzplatz zu finden und blieb einfach ebenfalls im Gang stehen. Die Fahrt bis zum Fernbahnhof Frankfurt Flughafen dauerte ja nur etwa eine Stunde – die kann man sich mit einem guten Hörbuch auf dem iPod auch mal stehend vertreiben.
Obwohl pünktlich um 17.54 Uhr angekommen verließ der Zug den Kölner Hauptbahnhof leider erst mit etwa fünfzehn Minuten Verspätung, denn man musste ja noch auf einen Anschluss-ICE warten. Während wir auf die Abfahrt warteten, fiel mir bereits die Schaffnerin (oder sollte ich doch eher der Schaffner sagen) auf, die zwar eindeutig weiblich aussah, aber doch für eine Frau etwas zu stämmig erschien. Meine Vermutung erwies sich während der anschließenden Fahrkartenkontrolle als offensichtlich richtig – solche Hände hat keine Frau. Na ja, jeder soll natürlich nach seiner Facon glücklich werden und eigentlich gehts mich ja auch nichts an, aber ich wollte es zumindest erwähnt haben. 😉
Was mich in solchen Zügen übrigens extrem nervt ist weniger die Tatsache stehen zu müssen als solche Fahrgäste, die trotz offensichtlicher Überfüllung des Zuges sich samt ihres sperrigen Gepäckes durch die stehenden Menschenmassen in den Gängen drängen, weil sie wohl noch hoffen irgendwo einen freien Sitzplatz zu finden. Und davon fanden sich ziemlich viele in diesem Zug. Ich enthielt mich dennoch jeglicher Bemerkung – konnte aber an den Blicken meiner ebenfalls im Gang stehenden Fahrgäste deutlich erkennen dass ich nicht der einzige war, den so ein Verhalten störte.
In Frankfurt Flughafen Fernbahnhof angekommen blieb schließlich noch Zeit ein Zigarettchen zu rauchen und mich dann in den Gleisabschnit B zu begeben, wo mein Wagon eigentlich – glaubte man der Wagenstandsanzeige – ankommen sollte. Für den Zug in Richtung Weimar hatte ich noch eine Reservierung bekommen. Als der Zug aber dann schließlich mit 5 Minuten Verspätung eintraf, befand sich die tatsächliche Position meines Wagens zwei Buchstabenabschnitte weiter hinten. Mein kleiner Sprint bis zu meinem Wagon war aber, wie sich erst später herausstellte, eigentlich gar nicht notwendig gewesen, denn der Zug war nicht gerade überfüllt wie ich zuerst befürchtet hatte. In Richtung Dresden fuhren dann heute doch nicht so viele Personen – konnte man ja nicht wissen. Als besonders positiv möchte ich erwähnen, dass entgegen meines Reiseplanes, wo ein Intercity (IC) angegegben war. heute dann doch ein richtiger ICE kam – komplett mit Steckdosen am Sitzplatz. Ich dachte schon gar keinen ICE mehr auf der Strecke in Richtung Dresden zu sehen – es ist lange her das die Bahn mal einen echten ICE hier einsetzte.
Auf der Fahrt bis nach Weimar passierte dann glücklicherweise nicht mehr viel. Am Frankfurter Hauptbahnhof stiegen noch eine größere Menge Fahrgäste zu und es kam zu ein paar Rangeleien zwischen einem Typen mit großem Rucksack und einer renitenten älteren Dame, die nicht zurückweichen wollte und sich fast schon mit Gewalt und den Worten „Ich muß aber hier durch!“ auf dem Gang an ihm vorbei drängelte – aber ansonsten verlief die Fahrt bis Weimar, wo ich wieder umsteigen musste ereignislos. Um 21:55 Uhr erreichten wir schließlich den Weimarer Bahnhof und ich hatte somit noch ganze acht Minuten Zeit, bis mein Regionalexpress am selben Gleis 2 einfuhr, an dem ich auch mit dem ICE angekommen war.
Wie immer stieg ich möglichst weit hinten ein, um am Bahnhof Jena-West möglichst nah am Ausgang herauszukommen. Ob dies heute jedoch so klug war sei mal so dahingestellt – denn wer konnte schon damit rechnen dass ich im hintersten Wagon auf eine Meute junger Männer mit bierkastenbestückten Bollerwagen, Partyhütchen und einheitlichen T-Shirts traf. Da war ich wohl in einen Jungesellenabschied hineingeraten, der von Erfurt in Richtung Jena fuhr. Obwohl ziemlich lautstark verhielten sich die deutlich angetrunkenen Fahrgäste aber friedlich und bis auf das gedämpfte Gröhlen und dem regelmässigen Aufblitzen von Kompaktdigitalkamerablitzen aus dem vorderen Bereich des Wagons, der durch eine Schiebetür vom Abteil abgetrennt war, bemerkte man kaum etwas von den Feiernden.
So erreichte ich schließlich um 22.20 Uhr endlich Jena – genau wie im Fahrplan angegeben. Und das trotz Verspätungen beider Hauptzüge. Trotz einiger Unschönheiten wie das stehen im Gang